Kurzgeschichten, Kolumnen - short stories, columns

Grete Minde und ich in Tangermünde Herbst 2011
Grete Minde und ich in Tangermünde Herbst 2011
Kronsberger Nachrichten
Kronsberger Nachrichten
eine Gemeinschaftsproduktion für den Tierschutz
eine Gemeinschaftsproduktion für den Tierschutz

 

 

Auszug

 

No dogs

 

Verbotsschilder sind eine deutsche Angelegenheit? Weit gefehlt. Ich habe schon mit Verboten zugekleisterte Fassaden in Englands hohen Norden gesehen, die so verwirrend sind, dass man nach dem Durchlesen nicht mehr weiß, was man darf und was nicht und eigentlich nur noch im Schwebezustand auf einem brüchigen Flachdach den nächsten Bus erwarten kann, um sicher zu sein, alle Verbote eingehalten zu haben.
Auch vor jeder Begehung irgendeines Strandes liest man das Schild „No Dogs at any time“. Für Analphabeten ist ein sorgfältig gemalter und stets schwarzer Hund mit der Entladung seiner dampfenden Notdurft abgebildet und mit einem fetten, diagonalen Balken durchgestrichen, so dass auch der Dümmste weiß, warum sich der Hund nicht am Strand aufhalten darf.
Das schert den Briten nicht, entweder kann er nicht lesen oder ist vollkommen blind. Denn Horden von No Dogs tummeln sich auf allen Stränden in allen Größen und Rassen. Beliebt sind Bündel von Yorkshire Terriern, die auch gern mal mit am Tisch sitzen und Bier aus bereitgestellten Schalen schlabbern. Doch derzeit ist der Jack Russell die bevorzugte Hunderasse von winzig bis riesengroß und Mischlinge aller Art. Manchmal noch als Wolf erkennbar, meistens jedoch als zugewachsener Scotch Terrier gekreuzt mit einem Wollknäuel, also ohne Anfang und Ende....


© Frauke Danker

Auszug

 

© Frauke Danker Publisher Wortspiegel Berlin Dez. 2011

 

The global village * Das globale Dorf

 

 

Die Stammesbrüder und Urmütter, die in so viele verschiedene Kulturkreise auseinandergefallen waren, sie haben sich wieder gefunden. Einheitlich. Und in aller Geschlossenheit. Geschlossen in so fern, dass man sie in der Realität nicht sieht. Nur am Bildschirm liest und die sich gegenseitig über verschiedene Kommunikationsmedien hörbar oder sichtbar machen. Auch über den Bildschirm. Und nicht zum Anfassen. Nur gucken und hören. Das ist sauber, bringt die Welt ins Haus und virtuelle Nähe.

Viele Eigenschaften haben sich erhalten, das genetische Gedächtnis hat nichts verlernt. Es gibt sie immer noch, die Jäger, die Sammler, Siedler und Höhlenmenschen. Der Jäger ist auf der Suche nach Glück, Liebe und Ruhm und schön, wenn noch ein paar scheue Rehe oder auch Hirsche auf der Pirsch erlegt werden können. Der Sammler sammelt. Kontakte. Manche haben mehrere tausend Freundschaften geschlossen. Ich stelle mir die Räumlichkeiten vor zu dem intimen Treffen im realen Sein. Das Stimmengewirr erwächst zu babylonischen Unverständlichkeiten. Der Siedler spielt, er baut sich Traumwelten, neue Städte, er bestellt Felder und stellt die reale Uhr zum Blumengießen. Manche schürfen nach Gold oder suchen Diamanten und fühlen sich damit so reich wie das tatsächliche Leben arm ist. Der Höhlenmensch gibt sich wortkarg.

Er hört den Lauten, den Selbstdarstellern, den zu Bewundernden klaglos zu, lässt sich in hunderte Gruppen einfügen und wird trotzdem nicht redseliger. Er hört nur zu. Wie die Liebesschwüre in der Nacht von Kontinent zu Kontinent fliegen.  Die ewige Liebe beschworen und besungen wird, die Treue und selten das Leid. Also all das, was uns die Realität   verweigert. Im fröhlichen Tanz der Virtualität. Die Kriege bleiben der Realität vorbehalten, obwohl Eifersucht und Neid, ja eigentlich alle Todsünden auch im virtuellen Village durch die Sphäre geistern......


© Frauke Danker


Veröffentlichungen seit 2008
Veröffentlichungen seit 2008

Auszug

 

I’m German, my English is not so good…

 

Wenn Sie glauben perfekt englisch sprechen zu können, Sie irren sich. Sie können überhaupt kein Englisch. Niemals. Man hat Ihnen nämlich nichts von Dialekten erzählt und das Englisch, das Sie gelernt haben? Vergessen Sie es und lernen die Sprache neu. Und zwar dort, wo Sie sich niederlassen wollen oder öfter wieder hinfahren wollen.

England hat mehr Dialekte als Deutschland. Ein Bayer versteht den Friesen auch nicht. Da muss man sich bemühen im eigenen Land und um Verständnis ringen, auch ohne politische Differenzen. Denn wir wissen, dass wir Dialekte haben und auch die Württemberger erklären, wir können alles, außer Hochdeutsch.

In England hingegen wissen die Leute überhaupt nicht, dass sie Dialekt sprechen, einen unmöglichen Slang haben, der nicht im Entferntesten an eine einzige Silbe erinnert, die Sie gelernt haben. Das aber ist englisch, ihr englisch und das ist Landessprache. Die nette Sitznachbarin im Pub aus Durham spricht englisch, genauso wie ihr schottischer Ehemann, aber Sie verstehen nichts. Nur den schottischen Ehemann. Weil Schotten so eine harte Aussprache haben wie wir sie aus dem Deutschen gewohnt sind und die Vokale oft so sprechen wie wir. Also das u bei Russian bleibt u. Nur, beliebt ist die schottische Aussprache beim Briten absolut nicht. Und was heißt nun „Aye, wor gan yam?“ Wir holen Marmelade oder gehen zur Gymnastik? Genauso wie in Deutschland oder überall wird die reizende Dame aus Durham den Satz nicht wesentlich verändern. Sie spricht laut, weil Sie plötzlich schwerhörig sind und langsam, wenn Sie sagen, „I can’t understand you“ und vielleicht noch hilflos lächelnd hinzusetzen, „I’m German, you know“.

„WOR--- GAN--- YAM!“ Eine Flut von lauten Worten begleitet dieser Satz. Sie gucken immer blöder und sagen irgendwann “Yes. That’s nice”. Oder nur kurz „Aye“....

© Frauke Danker


 

 

Auszug

 

Vor Verdun


Was für ein grauer Tag. Ganz Frankreich unter einer grieseligen Wolkendecke und ich allein auf der Landstraße im nieseligen Dauerregen. Warum fahre ich auch diese Strecke? Nur weil ich an die bestimmte Zollabfertigung will, die nicht so gründlich kontrolliert. Bis oben hin ist das Auto bepackt mit altem Kram, Bric a Brac, sagt der Franzose, der Engländer auch. Wertloses Zeug eigentlich, in Deutschland kostbar und teuer und für jeden Zollbeamten von hohem Wert, zumindest für den französischen. Eine zerfledderte Wolldecke liegt über dem verstauten Krimskrams, darauf ein paar vergammelte Weintrauben und ein angebissenes Baguette. „Steck Dir noch einen guten Sainte Maure de Touraine ein, dann stinkt das Auto bestialisch nach Ziege und du kommst unbehelligt durch“, hatte Pierre noch gesagt, als er sorgfältig die Decke festzurrte. Die Tankanzeige behauptet, dass ich unbedingt auftanken muss. „Ach bleiben Sie sitzen, Madame, ich fülle auf und Öl brauchen Sie auch“, sagt der hilfsbereite Tankwart. „Oh merci bien“. Ich zahle, er reicht mir die Quittung durchs Fenster, selbst die ist durchnässt und rollt sich um sich selbst. Ich fahre und fahre. Kilometer um Kilometer durch Felder mit weißen Kreuzen. Kreuze im Tal, Kreuze auf Anhöhen, Kreuze überall bis zum Horizont und drüber hinaus, die Gräber des ersten Weltkrieges. Kreuz an Kreuz für Feind und Feind und Freund und Freund. Väter, Brüder, Söhne und Onkel auf allen Seiten. Nummern statt Namen auf weißen, unbefleckten Kreuzen aus Holz oder Stein. Bekreuzte Schlachtfelder. Felder des Grauens. Felder aus Blut. Ein einziges riesiges Grab. Dazwischen zerschossene Bunkeranlagen, geborstene Wachtürme, rostiger Stacheldraht und vermooste Granattrichter.....

© Frauke Danker 

Auszug

 

 

Das männliche Haus

 

Auf dem Kontinent sind wir das rein weibliche Haus gewöhnt, in dem alle Installationen unter Putz und im Inneren des Gebäudes liegen, ordentlich verkleidet und unsichtbar.

Der Brite bevorzugt überwiegend das männliche Haus.

Denn es gibt eine Vielzahl von Häusern, deren sanitäres Innenleben nach außen gestülpt worden ist, mit allen Fallrohren, Abwasserleitungen einschließlich Toilettenkasten, so dass auch sämtliche Geräusche, die Küche und Bad verursachen, draußen stattfinden, drinnen hört man vom Plätschern und Rauschen nichts. Da hört nur Mrs. Brickstone, dass Mr. Brickstone soeben wieder im Stehen auf den Rand der Brille pinkelt, den gluckernden Rest hört nur die Nachbarschaft. Das stört den Briten gemeinhin nicht, pinkeln und waschen sich doch seine Nachbarn auch zur gleichen Morgen- oder Abendzeit. Und den Fremden sieht und kennt er nicht, der kann ja weitergehen. Dazu braucht es auch kein Schamgefühl, denn der denkt sowieso, es handelt sich um alte Kriegsschäden, warum sonst sieht das hier so verheerend aus. Das milde Seeklima verursacht so gut wie keinen Frost, die tiefen Temperaturen des Landklimas auf dem Kontinent sind unbekannt. Deswegen diese äußerst kostengünstige Lösung der freien Installationen, sie machen das Haus finanzierbar für jeden, der auf den Penny zählen muss. Das ist für den kontinentalen Besucher zunächst gewöhnungsbedürftig, aber wir beschweren uns ja auch nicht über das männliche Geschlecht. Da hängt oder steht auch alles temperaturbedingt außen, wenn auch aus gegenteiligen Gründen, eine Schwachstelle der Natur. Bei der Weiblichkeit hingegen wächst, gedeiht und ruht alles Empfindsame gut geschützt im Unterleib, also unter Putz. Reparaturarbeiten werden genauso teuer und langwierig wie die Unterputzbauweise eines weiblichen Hauses........

© Frauke Danker